Claudia Bullerjahn
Komponierte Interpretation, Zurücknahme von Schlampigkeit und Decollage
Zur Rezeption von Franz Schuberts Winterreise im 20. Jahrhundert, demonstriert an Werken von Hans Zender, Reiner Bredemeyer und Friedhelm Döhl
Die Rezeption von historischen Kunstwerken in Form von Neuinterpretationen, künstlerischen Adaptionen und in neue Werke eingebetteten Zitaten oder Collagen ist insbesondere im 20. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. Selten jedoch übte ein gut anderthalb Jahrhunderte altes Musikwerk eine solche Faszination aus, daß es zahlreiche zeitgenössische Künstler verschiedener Disziplinen zu einer kreativen Auseinandersetzung einlud. Dies ist um so erstaunlicher, als das Musikwerk bei Zeitgenossen zunächst keineswegs eine durchgängig gnädige Aufnahme fand und teilweise auf Unverständnis stieß. Die Rede ist von dem Liederzyklus Die Winterreise, Franz Schuberts Vertonung einer Dichtung von Wilhelm Müller.
Neben Komponisten setzten sich auch Literaten, Dramaturgen und bildende Künstler mit der Winterreise auseinander. In der vorliegenden Darstellung soll eine Beschränkung auf die kompositorische musikalische Rezeption erfolgen, insbesondere die Kompositionen von Hans Zender, Reiner Bredemeyer und Friedhelm Döhl. Da Hans Zenders Liederzyklus–Bearbeitung Schuberts Winterreise — Eine komponierte Interpretation (1993) und Reiner Bredemeyers Gedichtzyklus–Neuvertonung Die Winterreise. Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten von Wilhelm Müller (1984) in den vorliegenden Veröffentlichungen bisher stärkere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, soll an dieser Stelle der Schwerpunkt eine ausführliche Betrachtung des Streichquintetts Winterreise (1985) von Friedhelm Döhl sein.
© Claudia Bullerjahn 1997
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