Johannes Green - Winterreise
Ein Mann verlässt in einer eisigen Winternacht das Haus der Familie seiner Geliebten und begibt sich auf eine nicht enden wollende Reise in die Wildnis. Warum er geht, bleibt für den Zuhörer weitgehend im Dunkeln, einzig die Formulierung: „Ihr Kind ist eine reiche Braut“ gibt uns den Hinweis, dass der junge Mann wohl nicht ausreichend finanziellen und damit sozialen Status vorzuweisen hat und des-halb als Bräutigam abgelehnt wurde. Fortan kämpft er um sein körperliches wie seelisches Überleben.
Sein Gegenüber ist zunächst die erstarrte Natur - der Fluss, der nicht mehr spricht, der Schnee, den er mit seinen Tränen nicht zum Schmelzen bringen kann, Eisblumen statt Frühlingsblüten, der kahle Lin-denbaum, der ihm - an einem Ast baumelnd - die letzte Ruhe verspricht. Zunehmend bevölkern ande-re Gestalten das Bild: Ein Irrlicht als einziger Trost, die Krähe – hier wohl ein Sinnbild für den Beamten der Metternichzeit (mehr zum Thema: Frieder Reining-haus, Schubert und das Wirtshaus: Musik unter Metternich, Oberbaum 1980) – als ebenso makabrer wie absurder Ersatz für die Geliebte.
Die Kettenhunde im Dorf sind seine letzten Kommunikationspartner in der bürgerlichen Welt, sowie ein Köhler, den er im Schmerz gar nicht wahrnimmt. Schließlich sieht er einen Wegweiser in den Tod vor sich, dem er doch nicht folgen kann, kommt zu einem Friedhof, der ihm die letzte Ruhe nicht gewährt und sieht ein op-tisches Phänomen - zwei Nebensonnen. Und Gott ist abwesend. Erst zuletzt, nachdem er mit allem abgeschlossen hat, trifft er auf den Leiermann, der vielleicht als einzige verwandte künstlerische Seele so etwas wie echten Kontakt bietet.
© Johannes Green